Suizidale Handlungen sind ein relevanter Grund für Morbidität und Mortalität. In Frankfurt am Main, einer Stadt mit aktuell rund 750.000 Einwohnerinnen und Einwohnern und vielen Pendlern, kommt es jährlich zu ca. 90 vollendeten Suiziden innerhalb des Stadtgebietes.
Vor diesem Hintergrund wurde bereits im Juni 2014 auf Initiative des Gesundheitsamtes das Frankfurter Netzwerk für Suizidprävention (FRANS) gegründet. FRANS ist ein Zusammenschluss von mehr als 70 Institutionen und Organisationen, in deren beruflichem Alltag suizidales Verhalten und das Thema Suizidprävention eine Rolle spielen.
Im April 2017 hat das Bundesministerium für Gesundheit Fördergelder in Höhe von 3,5 Millionen Euro zur Vermeidung von Suiziden und Suizidversuchen zur Verfügung gestellt. Über einen Zeitraum von drei Jahren werden bundesweit verschiedene Projekte zur Aufklärung und Forschung im Bereich Suizidprävention gefördert.
Die Universitätsmedizin Frankfurt stellte gemeinsam mit dem Gesundheitsamt, der Zeitbild Stiftung sowie den pflichtversorgenden psychiatrischen Kliniken einen Antrag auf ein Forschungsprojekt, in dem zum einen die bisherigen Aktivitäten von FRANS ausgebaut und auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und zum anderen weitere Evidenz-basierte Maßnahmen etabliert und evaluiert werden sollen. Im Oktober 2017 erhielt das „Frankfurter Projekt zur Prävention von Suiziden mittels Evidenz-basierter Maßnahmen (FraPPE)“ eine Förderzusage durch das Bundesministerium für Gesundheit (FKZ: ZMVI1 – 2517FSB136).
Primäres Ziel des Projektes ist die Senkung der absoluten Zahl der Suizide innerhalb der Projektlaufzeit (11/2017 – 12/2020) um ein Drittel (10% pro Jahr). Als sekundäres Ziel wird die Senkung der absoluten Zahl der Suizidversuche angestrebt. Dazu wird ein auf Evidenz-basierten Methoden aufbauendes integriertes Programm zur Suizidprävention und ein ganzes Maßnahmenbündel zur Entstigmatisierung, Vernetzung und zum Methoden-Monitoring implementiert und hinsichtlich der Effektivität bezüglich einer Reduktion suizidalen Verhaltens evaluiert.
In Frankfurt finden sich aufgrund der ausdifferenzierten und gut vernetzten psychiatrischen Versorgungsstruktur dazu optimale Bedingungen. Die Evaluierung der Maßnahmen erfolgt mittels eines Prä-Post-Vergleichs, d.h. Daten aus Vorjahren und der Implementationsphase werden mit denen der Interventionsphase verglichen.
FraPPE besteht aus insgesamt vier Teilprojekten, den so genannten „Work Packages“ (WPs)
Im ersten Teilprojekt geht es um die Etablierung und Evaluation von Suizidpräventionsmaßnahmen und Interventionsmaßnahmen nach Suizidversuchen in den fünf pflichtversorgenden psychiatrischen Kliniken der Stadt sowie die Qualifikation von sogenannten „Gatekeepern“ und niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten.
Regelmäßige Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sollen eine leitliniengerechte Therapie in allen teilnehmenden Kliniken sicherstellen.
Seit September 2018 gibt es eine Hotline-Nummer (069 630 13 113), unter der im Notfall rund um die Uhr eine der psychiatrischen Kliniken der Stadt erreichbar ist. Betroffene, Angehörige und professionell Tätige können sich so niedrigschwellig über das weitere Procedere informieren.
Ergänzend werden in den vier sektorversorgenden psychiatrischen Kliniken sowie in der kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik offene Sprechstunden für Menschen in suizidalen Krisen eingerichtet, in denen zeitnah Beratung, Diagnostik und Therapie durch Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie erfolgt.
Nach einem Suizidversuch können Patientinnen und Patienten in den psychiatrischen Kliniken im Rahmen eines Gesamttherapiekonzeptes an einem speziellen modularen Therapieprogramm teilnehmen: Alle Patientinnen und Patienten nach einem Suizidversuch erhalten eine Infobroschüre zum Umgang mit suizidalen Krisen. Außerdem wird geprüft, ob die Patientinnen und Patienten für das gut untersuchte und validierte Therapiemanual ASSIP (Attempted Suicide Short Intervention Program) geeignet sind.
Für Angehörige von Menschen, die einen Suizidversuch unternommen haben, gibt es fachlich geleitete Informationsabende.
Über die gesamte Projektlaufzeit werden alle in einer der fünf pflichtversorgenden Kliniken vorgestellten bzw. eingewiesenen Suizidversuche mittels eines Fragebogens systematisch erfasst und dokumentiert. Vom 1. April 2018 bis zum 31. August 2018 erfolgte die „Baseline-Erhebung“. Seit 1. September 2018 kann mit der Fragebogenerhebung der Erfolg der Maßnahmen kontinuierlich evaluiert werden.
In Kooperation mit dem Institut für Allgemeinmedizin werden in einem eigens entwickelten Schulungskonzept stadtweit sogenannte „Gatekeeper“ und niedergelassene Ärztinnen und Ärzte weiterqualifiziert. Zudem erhalten allgemeinmedizinische Praxen ein gedrucktes MEDICAL der Zeitbild Stiftung.
Basierend auf den Schätzungen der Zahl der Suizidversuche wird nur etwa ein Viertel der Patientinnen und Patienten mit Zustand nach Suizidversuch in einer der psychiatrischen Versorgungskliniken vorgestellt. Unter dem Slogan: „SuizidVersuche – Sicher Verhindern!“ soll erreicht werden, dass jede Patientin/jeder Patient nach einem Suizidversuch zeitnah psychiatrisch untersucht wird. Insbesondere in den Notaufnahmen und Intensivstationen der Kliniken im Stadtgebiet, aber auch bei Notärzt*innen und Einsatzkräften soll mit Hilfe von Plakataktionen und Schulungen Sensibilität und Aufmerksamkeit für die Problematik geschaffen werden.
Eine weitere wichtige Zielgruppe ist die Frankfurter Bevölkerung. Es geht darum, psychische Erkrankungen im Allgemeinen zu entstigmatisieren und zu vermitteln, dass Suizidalität zwar ein ernstzunehmendes, aber behandelbares Krankheitssymptom ist. Mit verschiedenen PR-Aktionen soll die Akzeptanz und Inanspruchnahme von Hilfen in Krisensituationen gefördert werden. Dabei kommen insbesondere die bereits bestehenden Strukturen, Ressourcen und Materialien von FRANS zum Tragen.
Exaktes Methodenmonitoring vollendeter Suizide mit dem Ziel der Beschränkung des Zugangs zu Suizidmethoden ist Aufgabe des Institutes für Rechtsmedizin, das im Projektzeitraum bei jedem vollendeten Suizid in Frankfurt zum Leichenfundort gerufen wird, um vor Ort die reguläre Leichenschau durchzuführen. Im Anschluss erfolgt eine gerichtliche Leichenöffnung mit histologischer Untersuchung der Gewebeasservate und ergänzender chemisch-toxikologischer Untersuchung. Die rechtsmedizinische Untersuchung und Aufarbeitung des Sterbefalls ermöglicht die diagnostische Absicherung des Suizids, die Feststellung der Todesursache sowie der Suizidmethode.
Ergänzend zu den rechtsmedizinischen Untersuchungen werden in Kooperation mit dem Institut für Allgemeinmedizin und dem Gesundheitsamt räumliche Analysen (Geoanalysen) durchgeführt. Damit soll die Fragestellung beantwortet werden, ob und wo sich Bezirke mit statistisch signifikant hohen oder niedrigen Suizidraten clustern. Diese raum-zeitliche Verteilung der Suizidraten wird mit sozioökonomischen Faktoren auf Stadtteil-Ebene in Zusammenhang gebracht und dient auch dazu, sogenannte Hot Spots zu identifizieren und deren Verwendung, z.B. durch bauliche Maßnahmen, zu minimieren.
Das dritte Teilprojekt hat das Ziel, die Vernetzung der mehr als 70 regionalen Akteure im Frankfurter Netzwerk für Suizidprävention (FRANS) zu erforschen und auszubauen. Mit einem explorativen Fragebogen auf Gesamtnetzwerkebene, leitfadengestützten Interviews mit zentralen Akteur*innen des gemeindepsychiatrischen Systems sowie einer Panelbefragung mit einem teilstandardisierten Fragebogen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Krisenbegleitungsangeboten an drei Zeitpunkten im Projektzeitraum sollen folgende Fragestellung untersucht werden
Als Maßnahmen zur Stärkung der Vernetzung sind Workshops, der Ausbau des netzwerkinternen Informations- und Kommunikationssystems durch internetbasierte Austauschmöglichkeiten sowie der aktive Ausbau der Präsenz von FRANS in den gemeindepsychiatrischen Strukturen in Frankfurt vorgesehen.
In der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikum Frankfurt werden die Aktivitäten von FraPPE koordiniert, Analysen geplant und der Projektfortschritt monitorisiert. Der Kontakt zu externen Akteur*innen sowie der politischen Ebene wird hier gesteuert und die Medienkontakte zur Dissemination der Ergebnisse an die interessierte Öffentlichkeit und Expertinnen und Experten gebündelt. Darüber hinaus werden Projekttreffen geplant und durchgeführt.
Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
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